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10 Jahre Nachhaltigkeitsstrategie Baden-Württemberg

Liebe Vorstände, Mitglieder und Klimaschützer,

am 13.04. fand der 10. N!-Kongress des Landes Baden-Württemberg statt, an dem ich ganztägig teilnahm -selbstredend fuhr ich als BahnCard50-Inhaber mit der DB nach Stuttgart. Hier ein Kurzbericht:

Ministerpräsident Winfried Kretschmann eröffnet den 10. Kongress „Nachhaltigkeitsstrategie BaWü“, nachdem ein 60-köpfiger Kinderchor mit dem Lied „Was würdest du tun?“ ein paar aufrüttelnd emotionale Botschaften ins Publikum sandte. Eine Bilderabfolge unterstreicht großformatig im Hintergrund die Botschaft der Kinder: nämlich zu Handeln! Im Sinne einer guten Zukunft. Dies ist auch das Leitmotto des Kongresses: Mehr Taten, mehr Zukunft.

Kretschmann sieht die Realisierung der SDGs (Sustainable Development Goals) in unserem Ländle als klaren Wettbewerbsvorteil. Wer sie beherzigt, bleibe als Unternehmen ökonomisch erfolgreich und sei prosperitätsfördernd für alle Bürger. Eine enge Kooperation ist mit Jerry Brown als Gouverneur von Kalifornien schon initiiert und auch im Werden. Per Videobotschaft wird dieser zugeschaltet und bekräftigt die Ambitionen beider Landesteile, weiter in diese Richtung aktiv zu gehen. Mit einem gehaltvollen „Wer, wenn nicht wir?“ schließt der grüne Landesvater seine Eröffnungsrede.

Nach ihm kündigt Prof. Messner vom WBGU in seinem Kurzvortrag das 21. Jahrhundert als Jahrhundert der Entscheidungen an. Wie kann Wohlstand für 10 Mrd. Menschen bis zum Jahr 2050 gesichert werden, wenn wir global die 2°C-Grenze überschreiten? Er skizziert für das Amazonas-Regenwaldgebiet bei einer Erwärmung von 3-3,5°C ein wüstes Bild -nämlich der Wüstenbildung. Das Monsun-System würde destabilisiert mit verheerenden Folgen durch Regenfälle für die Landwirtschaft und damit unsere Ernährung. Das Anthropozän, wie manche dieses Zeitalter auch schon nennen, in dem der Mensch die Wandlung unseres Planeten Erde maßgeblich beeinflusst, ist ein entscheidendes! Bei einem „Weiter wie bisher“ stellt er klar, dass der Meeresspiegel über die kommenden Jahrhunderte um 70 Meter (!) ansteigen wird. Die Lösungen sieht er u.a. in den Technologien der Erneuerbaren Energien, welche helfen sollen, den von Menschen verursachten CO2-Ausstoß bis zum Jahre 2050 zwingend auf NULL zu senken! Doch noch viel mehr als der Wandel in Technologie oder Ökonomie ist für ihn die Herausforderung auf kultureller und zivilisatorischer Ebene verankert. Dafür nennt er 3 Motivationen, um auf dieser Ebene den Wandel zu schaffen:

  • Der normative Faktor. Als Beispiel: Heute sagen wir Sätze wie „Wie konnten wir nur zulassen, das Sklavenarbeit stattfand“, „…Kinderarbeit…“, zu erkennen gilt es nun, dass wir ein neues Übel dabei sind, es zuzulassen
  • Den Mut und die Überzeugung: Wir können das lösen!
    Die bestpractice-Beispiele aus den Städten und aus der Landesregierung publik machen, um Mut zu machen und zum Nachahmen anzustiften
  • Freude daran zu haben, Neues zu schaffen!
    Lust auf Zukunft
    als Antwort auf „die Wutbürger“

Als 3. Redner weist Schauspieler Hannes Jaenicke eindrücklich auf die einfache aber wirkungsvollste Macht hin, die wir Verbraucher haben: unseren Geldbeutel! Mit dem Kauf von Nestlé-Produkte unterstützen wir mit unserem Geld z.B. die Machenschaften des Konzerns, Wasserprivatisierungen weiter voranzutreiben. Beim Kauf von Unilever-Produkten schüren wir mit unserem Einkauf die Abholzung des Regenwaldes zur Gewinnung von Palmöl. Mit dem Kauf von aufwändig mehrfach verpackten Minimalstprodukten (siehe Kaffee-Pads: 5g Verpackung für 6g Kaffee) unterstützen wir genüsslich den Ausbau des Müllbergs. Und ein zweiter Aufreger des Abends, der immer wieder auftauchen sollte: die stolze Zahl von gekauften SUVs -also diesen großen panzerähnlichen Personenkraftwagen. In Deutschland ist nahezu jedes 4. neu gekaufte Auto ein solcher Mini-Panzer.

An diese 3 Eingangsredner schließen sich die sogenannten Tandem-Tische an. Jeweils 2 Kurzvorträge, von 2 Personen nacheinander vorgetragen, die einmal die globale Sicht und einmal die Sicht aus dem Ländle präsentierten. Getreu dem fast vergessenen Motto: global denken und lokal handeln aus der Agenda21-Initiative.

Aus den verschieden Tandems hier die Kernbotschaften:

  • Historische Verantwortung der Industrieländer für die CO2-Emissionen
  • BUEN VIVIR (das GUTE LEBEN) sollte als Ziel der Politik verankert werden
  • Veränderungen offensiv mitgestalten: z.B. neue Weinsorten, Lavendel statt Wein
  • Städte werden zunehmend heißer: Nicht-Bebauung von Flächen ist wichtig!
  • Die Landwirtschaft ist extrem exzessiv in der Nutzung der Bodenflächen
  • Tropische Stechmücken auch schon bei uns (Tigermücke)
  • Tourismus: Schwarzwald wird schneelos sein bis 2030/2040
  • Wetter-Hochs und -Tiefs ziehen langsamer durch Jetstream-Veränderung, d.h., Hitze- oder Kälteperioden bestehen länger
  • Mehr Nachhaltigkeitselemente an Hochschulen, sonst geht uns eine Generation verloren
  • Die Wichtigkeit von EUROPA im Sinne der politischen Union: ohne sie gebe es kein Kyoto-Protokoll und auch keine SDGs (sustainable development goals)
  • Die bestehende und auffällige Inkohärenz der wirtschaftlich agierenden Blöcke: das Freihandelsabkommen von Kanada (größter Klimasünder) mit der EU (Vorreiter im Klimaschutz) mit dem Wunsch zu mehr Kohärenz
  • Wir haben eine Art „Altlast von Praktiken und Werten“, die wir in unserer Kultur ändern müssen
  • Es braucht eine NEUE AUFKLÄRUNG
  • Die Kurzfrist-Denke überwiegt
  • Kleine Revolutionen anzetteln durch Weichenstellungen in Qualität, Öko-Strom für Neubürger einer Stadt, Kuhsteuer in Dänemark…
  • Emotionen spielen große Rolle (VISION und SPASS)

Nach einer anschließenden mittäglichen Stärkung geht es in die Zukunftsforen. Ich wähle Forum 4 „Klimaschutz & Energiewende“. Mit ca. 30 Personen diskutieren wir mit dem Referenten Karl Friedrich Falkenberg und der Moderatorin Prof. Ursula Eicker sehr angeregt darüber. So angeregt, dass es Umweltminister Untersteller nicht mehr auf seinem Platz im Forum hält und er das Wort zur Klarstellung einiger Halbwahrheiten aufgreift: Der Entstehungs-Preis für eine kWh Erneuerbare ist von 2008 nach 2017 von 8 auf 3 Cent gefallen.

Falkenberg resümiert, dass die EU viel in EE investiert hat, aber wenig in Speicher. Untersteller greift das auf und beschreibt die Prioritätenliste in der Abarbeitung ihrer Wichtigkeit für diesen Bereich wie folgt: Erst wenn die Nutzung optimiert, der Ausbau vorangebracht und die Nachfrageseite in Form sinkender Stromnachfrage weiterentwickelt ist, dann erst macht der Ausbau von Speicherinstallationen Sinn.

Ebenso frischen Diskussions-Wind bringen Jörg Lange vom Verein „CO2-Abgabe e.V.“, der einen Preis von 40-50 EUR/to CO2 fordert, und Wolfgang Schmalz von der Schmalz GmbH in Glatten/Schwarzwald, der einen Schlüssel für die Stromspeicherung u.a. in der Herstellung ihrer redux-flow-Batterie sieht. Die Firma Schmalz ist als Positivenergieunternehmen in den TOP 150 der Nachhaltigkeitsunternehmen in Baden-Württemberg gelistet. Minister Untersteller betont in diesem Kontext, dass Deutschland keine Speicher benötige, da es günstiger sei, den Strom ins Ausland zu verkaufen.

Für einen letzten Wind in diesem Forum sorgt der Energiedetektiv Jörg Zenker, der in Schulen die Spürnase nach Einsparpotenzial bei Strom und Wärme mit den Kindern zusammen ausstreckt. Lt. seinen Aussagen liegen die größten Einsparpotenziale bei der Heizung. Genauer: in deren Regelung in Verbindung mit der Öffnungsfreudigkeit der Schüler bei den Fenstern. Für ihn ist das Wertvolle seiner Arbeit, dass die Schüler das Gelernte zuhause an ihre Eltern weitergeben: wie spart man Energie?! Übrigens denken unsere Kinder, dass der Strom entweder aus Sonne, Wind oder Wasser hergestellt wird… !

Zum Abschluss des Zukunftforums bekräftigt Umweltminister Untersteller, dass er alles daran setzen werde, um die Ausschreibungsmodalitäten des EEG auf Bundesebene ändern zu lassen, um die starken geografischen Unterschiede bei der Windkraft entsprechend in der Förderung zu berücksichtigen.

Aus den Zukunftforen heraus treffen sich die gut 900 Gäste wieder im großen Saal für eine kurze Zusammenfassung aus den Foren und das Schlusswort, welches Untersteller ermunternd an die Gäste richtet: Nachhaltigkeit lohnt sich! In allen Bereichen! Wer, wenn nicht wir! …soll das schaffen.

Der REM e.V. ist mit seinen Vereinszielen, welche schon seit 1994 unsere Leitlinie bilden und den jüngst beschlossenen Erweiterungen der Vereinsaktivitäten auf einem guten Weg, weiterhin den Ausbau der Erneuerbaren Energie im Sinne einer aktiven Bürgerschaft und einer nachhaltigen enkeltauglichen Welt zu unterstützen. Mit aller Kraft! Wer noch, außer „wir“? Wir freuen uns über weiteren Zuwachs und Unterstützung.

Uwe Burkhardt

1. Vorsitzender REM e.V. Gernsbach, 20.04.2018

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